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Fall Berger

Der Hintergrund dieser Geschichte hat sich vor vielen Jahren ereignet, lange bevor FOCUS gegründet wurde. In ihrem Mittelpunkt steht Abraham Albert Berger, geboren 1927 in der Tschechoslowakei. Der schmächtige Flüchtling hatte die Nationalsozialisten in Budapest überlebt und war noch vor der Staatsgründung im Jahre 1948 nach Israel ausgewandert. Er hatte sich bescheiden in der Landwirtschaft und im Straßenbau durchgebracht und war schließlich 1959 in die alte Bundesrepublik gezogen. Im Münchner Nachtleben fand er seine Bestimmung, gründete ab 1963 ein Lokal nach dem anderen. Am Ende gehörten ihm vier Nachtbars. An einem Restaurant und an der Diskothek „Tilbury", am Platzl unweit des Tourismus-Magneten Hofbräuhaus, war er beteiligt.
Der Einzelgänger Berger pflegte so manche Marotte. Er misstraute dem Personal und zog es vor, regelmäßig und spät in der Nacht durch seine Betriebe zu touren und die Einnahmen abzuholen. So geschah es auch am 16. Mai 1970. Abraham Berger wurde zuletzt gegen 5.30 Uhr im „Tilbury" gesehen. Er rechnete mit seinem Geschäftsführer Helmut Frassl ab. Danach verschwand er. Spurlos. Da Berger beim Finanzamt Schulden hatte, vermutete die Polizei, er habe sich einfach abgesetzt, und suchte nur halbherzig nach ihm.
Sieben Wochen später, am 7. Juli 1970, versuchte der Fischer Alfred Minholz den Anker seines Netzes vom Boden des Chiemsees hochzuziehen. Dabei stellte er fest, dass sich das Netz an einem schweren Gegenstand verfangen hatte. Minholz wollte sein Arbeitsgerät nicht aufgeben und wuchtete es schließlich mit großer Mühe aus einer Tiefe von 60 Metern nach oben. Er näherte sich dabei dem seichten Uferbereich. Schließlich konnte er den schweren Gegenstand erkennen. Es handelte sich um eine männliche Leiche. Die Polizei identifizierte den verschwundenen Barbesitzer Abraham Berger. Der oder die Täter hatten ihn in einen Jutesack gesteckt, dann mit einer aufgeschlitzten Luftmatratze umwickelt und mit zwei Gewichten von je zehn Kilo beschwert, und an einer der tiefsten Stellen versenkt. Er sollte für immer im Chiemsee bleiben.
Sieben Wochen später, am 7. Juli 1970, versuchte der Fischer Alfred Minholz den Anker seines Netzes vom Boden des Chiemsees hochzuziehen. Dabei stellte er fest, dass sich das Netz an einem schweren Gegenstand verfangen hatte. Minholz wollte sein Arbeitsgerät nicht aufgeben und wuchtete es schließlich mit großer Mühe aus einer Tiefe von 60 Metern nach oben. Er näherte sich dabei dem seichten Uferbereich. Schließlich konnte er den schweren Gegenstand erkennen. Es handelte sich um eine männliche Leiche. Die Polizei identifizierte den verschwundenen Barbesitzer Abraham Berger. Der oder die Täter hatten ihn in einen Jutesack gesteckt, dann mit einer aufgeschlitzten Luftmatratze umwickelt und mit zwei Gewichten von je zehn Kilo beschwert, und an einer der tiefsten Stellen versenkt. Er sollte für immer im Chiemsee bleiben.
Dieser Leichenfund löste jahrelange, aufwändige Ermittlungen aus. Die Polizei vernahm nicht weniger als 120 Zeugen, produzierte eine Akte von 2000 Seiten. Zu den grundlegenden Erkenntnissen zählte am Ende, dass Bergers Leben durch einen Nah-Schuss aus einer Handfeuerwaffe, Kaliber neun Millimeter, beendet wurde. Zu den Mordtheorien zählten Spekulationen über Hehlerei mit gestohlenen Waren, mit Antiquitäten, mit Kriegswaffen oder Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Rotlicht-Gastronomie. Enge Mitarbeiter von Abraham Berger kamen als Täter in Frage, aber auch irgendwelche unheimliche Geheimdienste oder international organisierte Kriminelle. Spuren führten nach Israel, und auch dort natürlich ins Leere. Kurz und gut: Der Fall Berger wurde nie aufgeklärt.
Der tote Unternehmer hinterließ vier Kinder und eine schwer alkoholkranke Witwe. Im Jahr 1970 war Tochter Irid zwölf Jahre alt, Sohn Morris sechs, Sohn Michael vier und Tochter Miriam sieben Monate. Ein Jahr nach dem Mord sprach das Vormundschaftsgericht München israelischen Pflegeeltern das Sorgerecht über drei der Kinder zu. Im Gestrüpp von Anwälten, Gerichten und Bergers Geschäftsführern wurde ein angebliches Millionenvermögen innerhalb weniger Jahre eingedampft. Am Ende blieben nur noch Schulden übrig.
Damit mochte sich Sohn Michael nie zufrieden geben. Er konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass der Tod seines Vaters niemals aufgeklärt werden würde. 1991 kehrte er, 25jährig, nach München zurück. Er fing an, Informationen zu sammeln. Eines Tages las er mein Buch über „Die Agentin des Mossad" Erika Chambers. Michael Renz, er trug damals den Namen der Mutter, schrieb mir am 21. August 1999 einen Brief: „Vielleicht jetzt, nach 30 Jahren, kann man Licht in diese dunkle Geschichte hinein bringen. Würden Sie mir dabei behilflich sein?"
Ich versprach es ihm, weil ich diese mysteriöse Geschichte interessant fand, und weil Michael Renz alleine gar nichts erreicht hätte. Auch FOCUS hielt den Fall Berger für spannend und so beschlossen wir, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu recherchieren. Trotz längerer Pausen (wegen anderer, aktueller Themen) blieben insgesamt wir vier Jahre an diesem Fall „dran". Wir, das waren der FOCUS-Kollege Christian Sturm, ich und Michael Renz, der uns unterstützte, wann immer er Zeit fand. Ich half ihm, über die offizielle Akteneinsicht einer von ihm beauftragten Anwältin, in den Besitz der 2000 Seiten aus dem Archiv der Staatsanwaltschaft München zu kommen. Diese dienten uns allen als wertvolle Arbeitsgrundlage und Inspiration.
Am Ende geriet das packende Thema in die Redaktions-internen Mobbingmühlen und wurde von den beinahe schon notorischen Miesmachern gestoppt. Begründung: Es sei uns nicht gelungen, die Geschichte abzurunden. Im Klartext, wir konnten keinen Mörder präsentieren, und damit den Fall Berger nicht „auserzählen". Hatten wir denn jemals angestrebt, besser als Polizei und Justiz zu sein? Das Leben von Abraham Berger lag am Ende der Recherchen in epischer Breite vor uns. Wir hatten Akten, Fotos, Zeitzeugen und unglaublich viele Fakten. Daraus hätte sich eine äußerst spannende Story schreiben und gestalten lassen. Zwar wäre am Ende der Tod Abraham Bergers durch uns nicht erklärt gewesen., aber wir hätten einen nunmehr 33 Jahre alten Sohn präsentiert, der sein eigenes Leben investiert, um die vielen Rätsel zu knacken, die seinen Vater bis zum Ende umgaben. Und vielleicht hätten sich aufgrund der Lektüre bislang vergessene Zeugen gemeldet.
Nun geschah etwas, was keiner erwartete. Mein Ko-Rechercheur Christian Sturm bemächtigte sich der Aktenkopie Berger, die dem Sohn Michael gehörte, und verweigerte ihre Rückgabe. Einer Sekretärin versicherte er, FOCUS habe die 2000 Seiten gekauft. Falsch. Michael Renz hatte uns die Akte kostenlos für die Dauer der Recherchen zur Verfügung gestellt. Der FOCUS-Redakteur, erklärte, er wolle so verhindern, dass Renz zu einem Konkurrenzblatt gehe und dort das Thema anbiete. Mir bog er bei, dass er Michael Renz nie habe ausstehen können. Der junge Mann sei einfach zu nervig.
Der Streit zwischen dem jungen Deutsch-Israeli und der Redaktion FOCUS mündete in einen Brief des jungen Berger an den damaligen Chefredakteur Helmut Markwort. Darin hieß es wörtlich: „Nachdem bis heute nichts über den Fall erschienen ist, beenden wir die Zusammenarbeit. Ich bat zuerst Herrn Dietl um die Akte. Er bemühte sich, die Ordner von Herrn Sturm zu bekommen, denn dort waren sie gelagert. Nach Monaten berichtete mir Herr Dietl, dass Herr Sturm die Herausgabe verweigere. Unter anderem soll Herr Sturm gesagt haben, FOCUS habe für die Unterlagen sehr viel Geld bezahlt. Das ist absolut unwahr."
Ich konnte diese Auskunft nicht glauben. Also wandte ich mich selbst an Herrn Sturm. Erst hielt er mich zwei Wochen lang mit Ausflüchten hin, und dann erklärte er, dass ich die Akten unter keinen Umständen zurück bekommen würde......
Sehr geehrter Herr Markwort, Sie sind die letzte Chance, dass mir bei FOCUS jemand hilft. Als direkter Verwandter des Mordopfers habe nur ich ein Anrecht auf die Ermittlungsakte. Ich habe diese Möglichkeit des Gesetzes genutzt und Ihrem Magazin die Unterlagen leihweise zur Verfügung gestellt. Es hat nichts mit rechtlichen Überlegungen, sondern nur mit dem gesunden Menschenverstand zu tun, dass sie mir nun zurück gegeben werden müssen, da FOCUS mit den Akten nichts anfangen kann oder will. Es ist mir absolut unverständlich, dass mir Herr Sturm meine Akten vorenthält."
Was antwortete der Empfänger dieses Briefes, Helmut Markwort? Nichts.
Michael Renz wartet seit Herbst 2003 auf eine Erwiderung. Ich kann mich an eine Hausmitteilung erinnern, in der Markwort jeden Mitarbeiter mit dringlichen Worten vergatterte unbedingt alle Zuschriften von Lesern zu beantworten. Das stärke die Leser-Blatt-Bindung. Die eigenen Anweisungen schienen und scheinen für den Chef nicht zu gelten. Hierzu gibt es genügend treffende Beispiele.
Michael Renz kehrte nach Israel zurück. Von dort aus erstattete er im August 2005 beim Polizeipräsidium München Strafanzeige gegen den FOCUS-Redakteur Christian Sturm - „wegen des illegalen Besitzes einer Kopie der polizeilichen Ermittlungsakte 121 UJs 202891/76". Auch diese Aktion erwies sich als vergebliche Mühe. In der Regel schonen Münchens Strafverfolger den Burda-Verlag. Michael Berger, er hat sich nun für den Familiennamen des Vaters entschieden, hörte nichts mehr von FOCUS. Vier dicke Ordner zum Tod seines Vaters liegen – wohl immer noch - in der Redaktion, und keiner hält das für unrechtmäßig.
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