Mit der Quick um die Welt
„QUICK schildert und berichtet über die Welt, in der wir leben; sie sieht eine ihrer Hauptaufgaben darin, dem Leser die Dinge zu vermitteln, die hinter der reinen Information stecken. So kommentiert QUICK Vorgänge aus Politik und Wirtschaft; sie interpretiert Forschungsergebnisse aus Wissenschaft (z.B. Medizin) und Technik. Sie öffnet ihren Lesern den Weg zu Kunst und Literatur. Der ausführliche Unterhaltungsteil (mit Rätseln, Humor und Fernsehprogramm) fehlt ebenso wenig wie das vielseitige Ratgebermagazin mit Informationen und Hinweisen für die ganze Familie. Als Initiator der QUICK-Trimm-Spiele leistet sie einen wesentlichen Beitrag zur Popularisierung des Breitensports und damit der Volksgesundheit." (Werbetext um 1980)
1979 suchte die heute weitgehend vergessene Illustrierte QUICK einen Reporter, der die Münchner Zentralredaktion bei der Jagd nach weltweiten, aktuellen Themen unterstützen sollte. Ich bewarb mich und bekam den Posten. Mein Leben änderte sich gewaltig. Zwölf Jahre lang arbeitete ich für das Bilderblatt, davon die ersten beiden Jahre in fester Anstellung. Ein ganzes Jahrzehnt stand ich der QUICK als freier Autor zur Verfügung. Ende der 80er Jahre ließ ich mich zweimal für jeweils wenige Monate vertraglich binden – mal als Chefreporter und dann als Chefkorrespondent, was immer der Unterschied gewesen sein mag. Während der „freien" Phasen durfte ich auch für Konkurrenzmagazine arbeiten, so für den „Stern" und für den „Spiegel". Meine Bücher kamen ab 1981 als dauerhafte professionelle Herausforderung dazu.
Welche Bedeutung hatte die QUICK? Als klassische Illustrierte schrieb sie Mediengeschichte. Ihre erste Ausgabe erschien am 25. April 1948 und titelte mit dem US-Präsidenten Truman bei der Unterzeichnung des Marshall-Plans. Es war ein dünnes Blättchen von 24 Seiten aus dem Münchner Verlag Th. Martens, und bestand fast nur aus Fotos. „Stern" und „Spiegel" folgten bald darauf. Erst 1966 ging die QUICK an das Hamburger Verlagshaus Heinrich Bauer. Da hatte sie längst ihre politische Phase erreicht. Die QUICK verstand sich zeitweise als rechtes Kampfblatt („Stern von rechts") gegen das sozial-liberale Bonn. Ihre Macher druckten Geheimprotokolle über innerdeutsche Verhandlungen, riskierten auch mal den ungebetenen Besuch neugieriger Staatsanwälte. QUICK wurde zum Vorreiter der Aufklärungswelle. Der Pionier Oswald Kolle lockte in den 60er und 70er Jahren die Kunden zum Kiosk. Damals segelte Bauers Flaggschiff Bug an Bug mit dem „Stern", also im Bereich zwischen 1,4 und 1,7 Millionen Auflage. Um 1980 waren es 981 000 Käufer beziehungsweise 3,9 Millionen Leser. Die meisten kamen aus dem traditionellen Mittelstand.
Ich kümmerte mich nie um Konzeptionelles und schon gar nicht darum, wer in der Führungsetage saß. Mir war es wichtig, reisen zu dürfen, mit Vorliebe in den Nahen und Mittleren Osten. Nachdem sich meine journalistischen Erfolge häuften, durfte ich mir bald die Themen aussuchen und genoss weitreichende Freiheiten. Das nutzte ich zu vielen, aufwendigen Recherchen. Leider ist den meisten Lesern nur das üble Erscheinungsbild der QUICK kurz vor ihrem Ableben im Jahr 1992 in Erinnerung geblieben. Ein Nachblättern in den 80er Jahren würde ihnen zeigen, dass es immer wieder bemerkenswerte Leistungen der Redaktion gab.
Ich selbst fing auch bei der QUICK ganz klein an, mit Geschichten über Bergopfer und geschundenen Tieren. Es war eine Umstellung, von der Zeitung zur Zeitschrift. Ich musste lernen, dass nicht die tagesaktuelle Neuigkeit zählte, sondern die sogenannte „Weiterdrehe", also ein Aspekt des großen Ganzen oder ganz einfach der Hintergrund zu dem, was sich gerade vorne im grellen Rampenlicht befand.
Einige Beispiele meiner Arbeit bei der QUICK, nach Jahren geordnet: 1979: Ich untersuchte, zum Teil under cover, die häufig krummen Geschäfte deutscher und belgischer Tierhändler, die gegen das Artenschutzabkommen verstießen. Der Fotograf Hans Peter Kruse und ich, wir sollten bald zu einem festen Team werden, arbeiteten wochenlang an einem Report, der Ende des Jahres unter dem Titel „Menschenschmuggel nach Deutschland" erschien. Es ging um organisierten Menschenhandel und die ersten Anfänge des großen Geschäfts mit Asylbewerbern. Auf dem Hauptbahnhof in Mailand waren wir seinerzeit schneller als die Asylmafia. Wir übernahmen eine Fuhre illegaler Pakistaner, die gerade aus Istanbul angekommen waren. Als wir sie am Reschenpass schleusen wollten, um die Route bis Frankfurt/Main nahtlos aufzuzeigen, verirrten sie sich im tiefen Schnee. Sie liefen der österreichischen Polizei in die Arme und wurden festgenommen. Die Grenzschützer durchkämmten das Gelände, fanden Kruse und mich. Unsere Hintergründe ließen sich aber rasch aufklären. Sie konnten wir den Pfad der Schleuser weiter verfolgen, über das Allgäu nach Rhein-Main, wo rund 500 ausländische Arbeitssklaven in zwei Häusern lebten. Die Endstation zerstörter Träume vom gelobten Land.
1980: Im eiskalten Winter bereisten der Fotograf Volker Ranke und ich eine Türkei am Rande des Bürgerkriegs. In Istanbul erlebten wir Straßenkämpfe zwischen Rechten und Linken, trafen in Ankara auf den frisch gewählten Premier Süleyman Demirel, gingen in Betriebe und Universitäten. Danach folgte ein Ausflug in die Welt der militanten Exilkroaten. Fotograf George Delanoff und ich wurden mit verbundenen Augen in einen Wohnblock bei Frankfurt/Main geführt und trafen dort maskierte Bewaffnete vom Balkan. Sie bekannten sich zu Überfällen und Bombenanschlägen in Titos Jugoslawien. Danach luden wir die sechs wichtigsten Führer teilweise verbotener Exilorganisationen nach Frankfurt ein, um sie erstmals gemeinsam zu fotografieren. Misstrauisch observierte uns dabei der Verfassungsschutz. Irgendwie kamen wir damals nicht mehr von „Bankfurt" oder auch „Krankfurt" los. Unser Kriminalreport trug die Überschrift „Alptraum Frankfurt". Untertitel: „Wie aus der Goethestadt die deutsche Metropole des Verbrechens und des Lasters wurde". Es war das drastische Ergebnis nächtelanger Streifen mit und ohne Polizeibegleitung. Intensiv recherchierten wir in diesem Jahr mit großen Teams an den Umständen der Entführung der Kronzucker-Kinder Susanne und Sabine und versuchten den rechtsradikalen Studenten Gundolf Köhler zu enträtseln. Er war der Hauptakteur beim Oktoberfest-Attentat von München, Opfer und Täter zugleich.
1981: Eine mehrteilige Serie war der Frage gewidmet, warum der 18jährige Franz Helm seinen Vater mit einer Schrotflinte erschossen hatte. Eine Reportage, wie ich sie mochte: „Sterben ohne Angst". Ich hatte – zusammen mit Volker Ranke - eine ganze Woche in einer Londoner Sterbeklinik verbracht und dabei viel Leid kennengelernt. Der achtseitige Bericht begleitete die Diskussion über eine mögliche Einführung von Sterbekliniken in Deutschland. Wesentlich erfreulicher war ein intensiver Aufenthalt in der „lustigsten Baracke des Ostblock": „Fettes Ungarn – Paradies des Ostes". Mit vielen farbigen Bildern und beschriebenen Beispielen dokumentierten wir das beginnende Wirtschaftswunder der Magyaren. „Das kleine Glück im Reihenhaus" spielte ganz real in meiner Lindenstraße, am Rande der Großstadt München. Ich stellte meine 65 Nachbarn vor, und unser gemeinsames Leben („QUICK schildert, wer sie sind, was sie tun, welche Sorgen und welche Freuden sie haben"). Bald darauf sollte eine ewige Fernsehserie namens „Lindenstraße" geboren werden.
Dann begann eine lange Phase von Nahost-Berichten. Am 6. Oktober 1981, vormittags um elf Uhr, als die ersten vagen Nachrichten über ein Attentat auf Ägyptens Anwar al-Sadat über die Ticker liefen, beschloss die QUICK-Chefredaktion George Delanoff und mich nach Kairo zu schicken. Wir schafften in letzter Sekunde die Maschine nach Athen, und dort einen verspäteten Anschluss mit der „Egypt Air". So trafen wir mit den ersten internationalen Journalisten am Nil ein. Ich nutzte meine mittlerweile gewachsenen Beziehungen, saß mit Moslembrüdern im Untergrund zusammen, fuhr ins oberägyptische Assiut, wo etwa 60 Polizisten hingemetzelt worden waren, und rekonstruierte das tödliche Attentat auf Sadat, soweit es in wenigen Tagen möglich war. Am Ende der Woche erlebten wir ein Begräbnis der Superlative, an dem die ganze Welt live Anteil nahm. Ägypten sollte uns noch wochenlang beschäftigen. Mehrfach berichteten wir von dort. Ich verbrachte viel Zeit in Kairo.
1982: „Israels tödlicher Schlag" lautete unsere erste Balkenüberschrift nach dem Beginn des großangelegten Feldzugs gegen die Präsenz der PLO im Libanon. Wir berichteten den ganzen Sommer aus dem Libanon und aus Israel, beschrieben einen Angriffskrieg, der im Massaker an Kindern und Alten in den palästinensischen Lagern mündete. Ägypten war beinahe vergessen, nun beschäftigte uns der Libanon.
1983: Ich hatte seit dem Beginn der Sowjet-Invasion in und um Afghanistan recherchiert, vieles davon für mein geplantes Buch „Brückenkopf Afghanistan". Nun reiste ich für eine große QUICK-Reportage alleine, illegal und unter Gefahren ins Land. Ich befand mich notwendigerweise unter dem Schutz der „Hisb-i Islami" des Kriegsherrn Golbuddin Hekmatjar. Meine Erlebnisse erschienen danach in Text und Bild auf einer Strecke von zwölf Seiten in Heft 19/1983 („Das russische Vietnam"). Aber das war nur der erste große Artikel über die Situation am Hindukusch. Diese Region sollte mich in den folgenden Jahren sehr intensiv beschäftigen. In derselben Ausgabe wurden übrigens auch die gerade aufgeflogenen Hitler-Tagebücher des „Stern" abgehandelt. Im selben Jahr folgte eine achtseitige Reportage aus dem Libanon, wo gerade die Hauptquartiere der multinationalen Friedenstruppen von Selbstmordattentätern gesprengt und mehr als 250 Amerikaner wie Franzosen getötet worden waren: „Himmelfahrtskommando Beirut". Ein blutiger Krisenherd reihte sich in jenen Tagen an den anderen. Die QUICK druckte in derselben Ausgabe (45/83) ein einschlägiges Interview, das ich mit dem Sonderbotschafter der Regierung Reagan und ehemaligen stellvertretenden CIA-Chef Vernon Walters geführt hatte. Vier Wochen danach folgten nochmals acht Seiten die neuesten Ausläufer des libanesischen Infernos: „Wahnsinn Krieg". Hans-Peter Kruse und ich hatten die letzten Tage von Arafats neuer Präsenz im nordlibanesischen Tripolis miterlebt.
1984: Wieder zog ich alleine los, um auf den Philippinen den Niedergang des Marcos-Regimes zu studieren („Tanz auf dem Vulkan"). Bei dieser Gelegenheit traf ich auch die Oppositionsführerin und spätere Präsidentin Corazon Aquino, deren Ehemann kurz zuvor bei der Ankunft in Manila von Marcos-Leuten ermordet worden war. Ich verlor Arafats PLO nicht aus den Augen, besuchte aus dem Libanon vertriebene Fedajin in ihrem nordjemenitischen Ausbildungslager. Eine eindrucksvolle Frau, mit der mich die gemeinsame Arbeit an dem Roman „Nachtmusik" verband, feierte ihren 70. Geburtstag: Lilli Palmer. Ich besuchte sie in ihrer Traumvilla „La Loma" in den Schweizer Bergen zu einem Gespräch voller Bekenntnisse. Apropos Schweiz: Nicht weit entfernt war der amerikanische Steuerflüchtling und Milliardär Marc Rich in Zug untergekommen. Bei aufwendigen Recherchen in den USA gelang es mir, viel über den scheuen Sonderling in Erfahrung zu bringen. Das Sahnehäubchen des aufregenden Wirtschaftskrimis war ein Interview mit dem Rich-Verfolger und New Yorker Distrikt-Staatsanwalt Rudolph Giuliani.
Nachdem ich 1982 die iranische Front des ersten Golfkrieges besucht hatte, reiste ich im Sommer 1984 hinter die irakischen Linien. Ich erlebte für QUICK die Frontstadt Basra und das perfekt funktionierende System des Saddam Hussein. Mit dem Fotografen Guido Krzikowski begleitete ich im Herbst den US-Präsidenten Ronald Reagan auf einer Wahlkampftour, die durch mehrere Bundesstaaten im Mittelwesten und Süden führte. Das ist mir als ziemlich beeindruckender Trip in Erinnerung geblieben. Wochen später wurde Indiens Symbolfigur Indira Gandhi von ihren Leibwächtern ermordet. George Delanoff und ich schafften es erneut, die nächste Maschine nach Neu Delhi zu bekommen. Wir landeten am Morgen nach der Tat zwischen schwarzen Rauchfahnen und erlebten einen Subkontinent am Abgrund: „Indien in Flammen". Nach dem Staatsbegräbnis kehrte ich mit Genschers Delegation zurück, um den ohnehin schon hinausgeschobenen Redaktionsschluss noch zu erreichen. Wir druckten zehn Farbseiten. Those Were the Days.
1985: Und noch ein Terrorjahr. Auf dem Frankfurter Flughafen detonierte eine Bombe. Tote und Verletzte in Abflughalle B. Der Kollege Andreas Möller und ich fragten, ob die Deutschen nun Angst vor dem Fliegen hätten. Wir testeten die Sicherheit des Gepäcks und der Kontrollen. Im Magazinteil derselben Ausgabe präsentierte ich ein Interview mit der legendären Luftpiratin Leila Khaled, die 15 Jahre vorher für weltweite Schlagzeilen gesorgt hatte. Ich hatte sie Tage vorher in Damaskus getroffen, in einem Parteibüro der PFLP. Das andere Extrem wurde beschrieben, als ich „den steilen Aufstieg und den langsamen Fall des reichsten Mannes der Welt" beschrieb – Adnan Kashoggi aus Saudi-Arabien. Zwischendurch war geographischer Kontrast angesagt. Ich flog nach Südafrika und berichtete über die neuesten Krawalle im Schwarzen-Getto Soweto. Und immer wieder Beirut. Eine Autobombe nach der anderen, und dazu diese unfassbaren Kontraste. Die einen lagen am Strand, und die anderen liefen blutend durch die Häuserschluchten. Grund genug, wieder hinzufahren und mit drei „Doppelseiten" zurückzukommen. So heißt das im Jargon der Blattmacher. Und noch eine spannende Geschichte aus der faszinierenden Metropole in der östlichen Levante. Damals florierte das Entführungsbusiness. Als die Kämpfer der Schiiten auch vier sowjetische Diplomaten verschleppten, begingen sie einen Fehler. Moskau dachte gar nicht daran, nach westlichem Muster monate- und jahrelang zu verhandeln, um am Ende vielleicht gar nichts zu erreichen. Ein KGB-Spezialkommando flog ein und holte sich eigene Geiseln. Als letzte Mahnung schickte es den Kopf eines der Männer im geflochtenen Korb an Hisbollah. Stunden später waren die drei noch lebenden Sowjets frei. Den Kulturattaché hatten die Kidnapper bereits bei einem Fluchtversuch erschossen. Wir berichteten ausführlich über Moskaus Interessen im Nahen Osten. Die Situation wurde immer explosiver, im Oktober 1985 für die Amerikaner. Palästinensische Terroristen kaperten das Kreuzfahrtschiff „Achille Lauro" und seine 687 Passagiere. In Teheran erreichte mich ein Telex der QUICK, das heute noch an meiner Pinnwand hängt. Mein damaliger Chef Jochen Wolff schrieb: „Kreuzfahrtschiff mit 400 Passagieren an Bord wurde von der PLO entführt. Größte Story des Jahrzehnts. Brauche Dich dringend in München oder Kairo. Versuche Dich zu melden oder komm zurück. Die Iran-Story ist jetzt uninteressant...." Wegen dieser Geschichte schwärmten alle Reporter aus. Bevor wir richtig exklusive Informationen zusammentragen konnten, war die Sensation wieder vorbei. Ein spannender Aufmacher war es allemal: „Kreuzfahrt des Schreckens". Das ließ sich so ähnlich über eine entführte Maschine der „Egypt Air" sagen. Bei der stümperhaften Erstürmung durch ägyptische Anti-Terror-Einheiten starben in Malta 60 Passagiere. Wir berichteten über „24 Stunden in Todesangst".
1986: Sieben erfolglose Jahre kämpften die Sowjets in Afghanistan. Ihre hohen Verluste waren auch im eigenen Land nicht mehr zu vertuschen. Die Mudschahedin verfügten seit kurzem über Luftabwehrraketen und holten damit die als unbesiegbar geltenden Sowjet-Hubschrauber vom Himmel. Nun kündigten sie einen Teilrückzug an. Ich reiste an den Hindukusch und berichtete darüber in der QUICK. Der Schauplätze wechselten rasch, als Abu Nidals Terror-Boten auf den Flughäfen Wien und Rom blutige Massaker veranstalteten. Wir beschrieben die enge Allianz zwischen dem Palästinenser-Phantom und Libyens Gaddafi. Das nächste Blutbad fand im Jemen statt, ein kurzer aber heftiger Bürgerkrieg zwischen den linken Fraktionen des Südens. 15 000 Menschen starben bei den Straßenkämpfen, und letztlich siegte der Norden. Ich berichtete damals aus Dschibuti. Als etwas später 8000 ägyptische Bereitschaftspolizisten den Aufstand wagten und das Militär gegen sie vorgehen musste, hatten wir den nächsten Konflikt. Wir beantworteten die Frage, „wer hinter den Unruhen steckt und wie deutsche Terroristen den Terror überlebten".
Es lebe die Vielfalt. Mit einer großen Geschichte über die neuen Methoden und Instrumente des Bundeskriminalamtes (BKA) beim Kampf gegen den Rauschgifthandel tastete ich mich auch in dieses globale Thema vor. Während in Deutschland die regionalen Schlachten um Brokdorf und Wackersdorf tobten, befassten sich der Fotograf Hans Peter Kruse und ich im fernen Südafrika erneut mit dem „Leben auf dem Pulverfaß". Wir besuchten Slums und deutsche Auswanderer, die rechtsextremen Blut- und Boden-Fanatiker und die ersten schwarz-weißen Ehen. Rasch rückte das „Spionageziel MBB" in unser Blickfeld. Bei der Münchner Rüstungsschmiede war ein Ingenieur als KGB-Kundschafter enttarnt worden. „Terror in Deutschland" lautete die nächste große Seitenüberschrift. Die „Rote Armee Fraktion" (RAF) schlug wieder zu, ermordete diesmal Siemens-Vorstand Professor Karl Heinz Beckurts und seinen Fahrer. Da waren sie wieder, die späten 70er und frühen 80er Jahre der Bonner Republik. Wir hatten alle Hände voll zu tun, gingen im BKA ein und aus, sammelten jede noch so kleine Info. Und noch ein Thema, das damals immer bedeutender wurde: Immigration. „Endstation Deutschland" hieß meine Titelgeschichte. Oder auch „Leben mit Asylanten". 700 000 von ihnen hatten sich bereits nach Deutschland durchgeschlagen, und täglich kamen 250 neue dazu. Die Volksseele kochte.
1987/88: In einer stockdunklen Nacht in Damaskus traf ich unter großen Sicherheitsvorkehrungen den Chefideologen der besonders blutrünstigen Palästinenser-Organisation von Abu Nidal: Atef Abu Baker. Er droht den deutschen Sicherheitsdiensten. Sie würden versuchen, in den Flüchtlingslagern Spitzel zu werben. Atef Abu Baker kündigt Vergeltung an. Gegen deutsche Botschaften und Filialen des Goethe-Instituts im Nahen Osten. Unser Interview erregt großes Interesse bei den deutschen Behörden, die sich angesprochen fühlen. In diesen Tagen – Zufall? – wurden im Libanon die ersten Deutschen entführt, Alfred Schmidt und Rudolf Cordes. Das sollte uns von Januar 1987 bis September 1988 immer wieder beschäftigen, und sogar darüber hinaus. Wir schrieben über das alltägliche Leben bei der deutschen Gemeinde in Beirut, und immer wieder über den Fall Hamadi. Bald sollte er in einen großen Hamadi-Prozess münden. Als die Geisel Schmidt im September 1987 freigelassen wurde, traf ich den Siemens-Techniker zum ersten und einzigen Interview. Sein Mitgefangener Rudolf Cordes kam erst ein Jahr später frei. Auch diesmal wartete ich in Damaskus auf ihn.
In dieser Zeit entdeckten wir auch anderswo „Geschichten", die spannend waren und häufig tragisch endeten. Das Schicksal junger Deutscher, die ihren Thailand-Urlaub mit Drogenhandel finanzieren wollten, und dabei geschnappt wurden, gehörte dazu. Ein Gericht verurteilte die beiden Münchner zu 13 und 15 Jahren Haft. Wir trafen sie in einem berüchtigten Bangkoker Gefängnis. Matthias Rust, der Kreml-Flieger, brachte mich nach Helsinki, wo er einen Zwischenstopp auf dem Weg in die Sowjetunion eingelegt hatte. Noch einmal berichtete ich über den Bürgerkrieg auf den Philippinen, über den fanatischen Gottesstaat Iran („Beten und töten") und über die geheimen Waffenkäufe des Mullah-Regimes („Das Geschäft mit dem Krieg"). Trotz Multikulti und Ansätzen von Integration zeigte sich der Islam bereits in den späten 80er Jahren als gefährliche Bewegung. Ich beschrieb das System des „Khomeini von Köln", Cemalettin Kaplan. Der Türke hatte sich den Sturz seiner heimischen Regierung auf die Fahnen geschrieben.
1989: Im libyschen Tripolis lernte ich den Schwager von Revolutionsführer Muammar Gaddafi kennen. Sein Name: Saleh Farkash. Er war einer der wichtigsten Drahtzieher bei der Beschaffung von illegalen Rüstungsgütern, handelte selbst mit den Ingredienzien afrikanischer Kriege. Es gelang mir, die getarnten Firmennetze der Libyer aufzudröseln. Die meisten fanden sich im weltoffenen Österreich. Und wieder Afghanistan. Nachdem die Sowjettruppen abgezogen waren, berichtete ich aus dem „sterbenden Kabul". Ein besonderer Coup gelang mir im Frühjahr 1988. Ich recherchierte wochenlang an den Hintergründen des Anschlags auf einen PanAm-Jumbojet über dem schottischen Lockerbie. Dazu reiste ich auch in die USA, um die Eltern des tatverdächtigen Khaled Jafaar und den stellvertretenden FBI-Chef Oliver B. Revell zu treffen. Am Ende blätterte QUICK auf fünf Seiten, signalgelb unterlegt, das „Protokoll einer Katastrophe" hin.
In Beirut wurde der Deutsch-Libanese Markus Quint verschleppt, aber glücklicherweise gleich wieder freigelassen. Ich berichtete immer noch über den Zedernstaat, flog aber selbst nur noch unter großen Sicherheitsvorkehrungen hin. Die Gefahr, entführt zu werden, war über Nacht kräftig gewachsen. Zwischendurch lenkte ich mich vom immer stärker verwüsteten Beirut ab, indem ich in Bali an der Hochzeit einer Deutschen mit einem einheimischen Prinzen teilnahm. Ein farbenprächtiges Spektakel. Erneut beschäftigte uns Libyen, diesmal auf Raten. Nach und nach deckten wir die Machenschaften der Münchner Rüstungsfirma Telemit auf, die insgeheim dem libyschen Staat gehörte. Dass Telemit auch dem BND hörig war, wussten wir zu diesem Zeitpunkt nicht. Am Ende hatte das Elektronikunternehmen seine Kundschaft bei der Bundeswehr verloren und wartete geduldig auf das Aus. Beirut und immer wieder Beirut. In Stuttgart stöberte ich den libanesischen Terroristen Mohammed Rahal auf. Er hatte mit viel Täuschen und Tarnen den Asylantenstatus bekommen. Nach unserer Reportage „Die Mörder sind unter uns" wurde Rahal ausgewiesen. Gezielte Anschläge auf Soldaten der britischen Rheinarmee veranlassten mich, die Reiseroute der Soldaten und die Strukturen der IRA zu studieren. Der Artikel hieß „Tod den Engländern!"
Exakt am 9. November 1989 war ich mit PLO-Chef Jassir Arafat in seinem tunesischen Hauptquartier zum Gespräch verabredet. In den Fernsehnachrichten dominierten bereits die Trabis, die kolonnenweise durch die ersten Löcher in der Mauer tuckerten, Hans Peter Kruse und ich informierten den bekennenden DDR-Fan Arafat über den Zeitenwechsel. Er war ordentlich verblüfft. Danach konnte auch ich mich der schier inflationären Wiedervereinigungs-Berichterstattung nicht entziehen.
1990: Es gab noch eine Nische, die mich vor dem Ost-West-Tsunami rettete: Eine Recherche-intensive Serie über die organisierte Kriminalität in Deutschland. Folge eins berichtete über die kriminellen Jugo-Banden, Folge zwei über Kurden und Kolumbianer im grenzüberschreitenden Rauschgiftgeschäft. Im dritten Teil befassten wir uns mit den Italienern – der „Ehrenwerten Gesellschaft". Auch die chinesischen Triaden blieben nicht unerwähnt. Schließlich runden wir unsere Serie mit der Frage ab, „was gegen die organisierte Kriminalität" getan werden kann. Untertitel: „Ein Tag im Kampf gegen die Mafia im Hamburger Milieu". Meine letzte große QUICK-Geschichte handelte vom Atombomben-sicheren Bunker des irakischen Diktators Saddam Hussein. Seine Truppen hatten gerade das benachbarte Emirat Kuwait besetzt. Die Amerikaner organisierten eine vielköpfige „Koalition der Willigen" und trieben die irakischen Soldaten Monate später unter hohen Verlusten über die Grenze zurück. Saddam versteckte sich in seinem Bunker „Made in Germany". Mein Artikel, der sogar eine dreidimensionale Zeichnung lieferte, wurde weltweit zitiert. Sogar das Kult-Magazin „Good Morning America" reiste mit einem Team nach München, um mich live zu befragen und in die US-Haushalte zu beamen.
Journalistisch gesehen, waren meine Jahre bei der QUICK die erfolgreichsten. Weder vorher noch nachher durfte ich so ausgiebige, interessante, spannende Reisen erleben. Wenn ich ein Thema gegenüber der Chefredaktion oder in der täglichen Konferenz vorschlug, wurde es selten abgelehnt. Ich verfügte über größtmögliche Freiheiten.
Trotzdem trennte ich mich zweimal von der QUICK. Beim ersten Mal hatte es mit weiterreichenden beruflichen Zielen zu tun. Ich wollte meine Erfahrungen im Nahen Osten, und noch viel weiterreichende Recherchen dazu, in Buchform bringen. Dazu musste ich meine bequeme Festanstellung aufgeben. Die Folge waren leere Kassen, aber ein dickes Werk mit dem Titel „Heiliger Krieg für Allah". Die weitere Beschäftigung als „fester Freier" war im Endeffekt sehr effizient – und finanziell lukrativ.
Das Ende meiner Tage bei der QUICK zeichnete sich unmittelbar nach dem Dienstbeginn des neuen Chefredakteurs Richard Mahkorn, im August 1990, ab. Es war Abneigung auf den ersten Blick, obwohl wir uns optisch ähnelten. Mahkorn löste den glücklosen Schweizer Peter Balsiger ab, mit dem ich mich stets menschlich und beruflich gut vertragen hatte. Balsigers Pech war, dass die Auflage der QUICK unter seiner Leitung stärker gefallen war, als es das Hamburger Mutterhaus akzeptieren wollte. Mahkorn, ein Poltergeist und Blattmacher der traditionellen Art, setzte auf die primitiven Werte. Er wandelte das ohnehin längst „kastrierte" Politblatt in eine Arsch- und Titten-Postille um. Wer am Kiosk etwas unkonzentriert guckte, konnte die QUICK leicht mit der „Neuen Revue" verwechseln, Mahkorns früherem Kommandostand. Der neue QUICK-Chef wurde von einem Branchendienst gefragt, ob er sich eine Fusion der beiden Bauer-Blätter vorstellen könne. Das wies er natürlich zurück. Die Zeitschriften würden von der Thematik her nicht zusammen passen.
Richard Mahkorn, der sich stets als Mitglied eines imaginären „Vereins für deutliche Aussprache" präsentierte, und mehrere seiner engsten Vertrauten schikanierten mich drei Monate lang. Die Mobbing-Strategie bescherte mir absurde Aufträge, die ich angemessen absurd – und mit hohem Spesenaufwand – erledigte. Im November 1990 konnte der selbstherrliche Mahkorn die gespannte und absolut kontraproduktive Stimmung nicht mehr ertragen. Er bestellte mich in sein Zimmer und fragte nach dem Preis meines Ausscheidens. Wir einigten uns innerhalb weniger Minuten auf 80 000 Mark. Das fand ich angemessen.
Ich schied wenige Tage vor dem Beginn des heißen Krieges um Kuwait aus. Pech für Mahkorn, da er niemanden mehr hatte, der ihm die Region und die Ereignisse erklären konnte. Aber das spielte für die QUICK augenscheinlich keine Rolle mehr. Ende August 1992 wurde sie nach langem Todeskampf in ihrem 44. Lebensjahr mit einer wöchentlichen Auflage von 700 000 Heften eingestellt. Dem gescheiterten Chefredakteur war es wichtig, der Medienjournaille in den Block diktieren zu können, sein Verleger habe ihm die Absolution erteilt. Er trage keine Schuld und die Redaktion habe stets prima gearbeitet. Das Ende der QUICK, so der Bauer-Verlag, zeige „dramatisch die Folge der Hinwendung der Werbung treibenden Wirtschaft zu den elektronischen Medien". Also: Das Fernsehen hat die QUICK gekillt.