.
Fall Aquarium
Es begab sich im Jahr 2001. Die FOCUS-Redaktion erfuhr, dass die Vietnamesen-Märkte im Grenzgebiet zwischen der Tschechischen Republik , Sachsen und Bayern bislang unbekannte Risiken bereit hielten – gepanschte und vergiftete Alkoholika. Ein beherztes, berauschenden Getränken mit abgeklärter Distanz begegnendes, Team machte sich auf dem Weg. Das Trio bestand aus dem Kollegen Christian Sturm, einem freien Fotografen und mir. Am Ende stand eine dreiseitige FOCUS-Geschichte mit dem Titel „Gefährliches Feuerwasser". Sie erschien in der Ausgabe vom 9. April 2001.
Allerdings, das „Making of..." ist eine ganz eigene Story:
Nach einem erstem Überblick, vor Menschen wimmelnden, Märkten an der Grenze, begaben wir uns nach Brünn, tief in Mähren. Wir trafen den Chef der 250 tschechischen Lebensmittelkontrolleure, Jakub Sebesta. Er klagte uns sein Leid: „Wenn wir einen Stand schließen, öffnet gleich an der nächsten Ecke ein neuer." Bei Ostrava hatten Sebestas Fahnder Monate zuvor ein Giftlabor entdeckt, in dem Schnaps gepanscht wurde. In einer Badewanne mischten die Vietnamesen Lösungsmittel aus Indien und Spiritus aus einem Abfallprodukt der Benzinverarbeitung mit Geschmackkonzentraten und Zucker. Der Generalkontrolleur sprach von mehr als 1000 Giftküchen im ganzen Land. In Kellern, Garagen und Scheunen.
Bei 21 Alkoholkontrollen hatte man festgestellt, dass 98 Prozent der Spirituosen mit Fremdstoffen versetzt waren. In einer Flasche Rum „John Silver" und im Wodka „Kremlevskaya" wurden sogar Spuren von WC-Reiniger gefunden, im Krimsekt Spiritus.
Ein zweiter Gesprächstermin, bei der nationalen Polizei in Prag, brachte uns neben zahlreichen weiteren Informationen, ein mehr oder weniger exklusives Foto: Eine richtige Mixküche mit Kanistern, Waschschüsseln und Abfüllschläuchen. Das Tatort-Foto war in einem echten Panscherlabor, das die Polizei zuvor ausgehoben hatte, entstanden. Wir bedankten uns artig und versprachen, es angemessen zu platzieren.
Zur Abrundung sprachen wir auch noch mit den bayerischen Polizeibehörden, mit Zoll und Lebensmittel-Überwachung. Sie schilderten uns ihre Maßnahmen und die gefährlichen Folgen der Vergiftung mit den tschechischen Spirituosen. Artur Schmidbauer vom Landratsamt Cham: „Die Wirkung dieser Gifte kann selbst noch nach einigen Tagen zum Tod führen."
Kollege Christian Sturm war unzufrieden mit dem geschenkten Foto. Es gefiel ihm nicht, weil es den gewissen Glamour-Touch vermissen ließ, den zahlreiche FOCUS-Bilder ausstrahlten. Gerade wenn eine Reportage inszeniert wurde, dann arbeiteten die Fotografen endlos an der Komposition ihrer Bilder. Sie schufen Lichteffekte und überraschende Perspektiven. Dagegen war ein stinknormales Polizeifoto aus der tschechischen Provinz langweilig und – in den Augen der Zeitschriften-Macher – wertlos. Häufig kam und kommt es bei FOCUS erstrangig darauf an, dass ein Foto überrascht und den Betrachter fesselt, und nicht auf den dokumentarischen Charakter.
Also entschied der Kollege kurzerhand, das Motiv nachzustellen. Er suchte eine Zoohandlung auf, kaufte ein großes Aquarium, kleinere Behälter und Schläuche und drapierte diese Utensilien auf einem Gartentischchen in meiner Garage. Christian Sturm füllte das Aquarium mit frischem Wasser. Könnte ja auch Wodka sein. Wer sieht den Unterschied? Ich weigerte mich, an der Aktion teilzunehmen und blieb der Garage demonstrativ fern. Der Fotograf sträubte sich ebenfalls, wurde aber mit Verweis auf künftige FOCUS-Aufträge zur „Fraktionsdisziplin" veranlasst. Als das Fake abgelichtet war, räumte der Bildfälscher wieder alles säuberlich auf. Das Aquarium blieb noch eine Zeitlang stehen.
Das Foto erschien in der FOCUS-Ausgabe 15/2001 mit dem folgenden Text: „Panscher-Utensilien. In einer Scheune in Ostböhmen entdeckten Fahnder diese Mixküche mit Kanistern, Waschschüsseln und Abfüllschläuchen. Russen füllten die Flaschen ab."
Kein Leser merkte, wie sehr er zum Narren gehalten wurde. Als sich diese Betrugs-Nummer unter einigen Kollegen herumsprach, wurde sie als „Kavaliersdelikt" abgetan. Das Thema war somit erledigt.