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Medienverfahren Süddeutsche Zeitung

Die „Süddeutsche Zeitung" (SZ) preschte am weitesten vor und griff am stärksten daneben. In einer ersten Meldung, zwei Wochen vor Erscheinen des „Schäfer-Berichts", verbreitete die SZ vage Details, zum Beispiel über die Zahlung von „mehr als 600 000 Mark" an einen ehemaligen FOCUS-Journalisten, „heute Buchautor". Die Entlohnung stand bei der SZ natürlich im Zusammenhang mit der jahrelangen Journalisten-Bespitzelung des BND („Journalisten, die entweder selbst Informationen über Kollegen anboten oder vom BND befragt wurden, was sie über Kollegen berichten könnten."). Die einst so seriöse SZ verwirrte mehr, als dass sie aufklärte. Für den Preis der exklusiven Nachricht nahm man bedenkenlos eine massive Falschnachricht in Kauf. Die SZ-Journalistin Annette Ramelsberger hielt es nicht für notwendig, hinzuzufügen, dass ich die genannten 600 000 Mark ausschließlich für Auslandstätigkeit erhalten hatte. So stand es im „Schäfer-Bericht", und es schloss damit für mich einen Auftrag zur Journalistenbespitzelung in Deutschland aus. Der Bundestags-Report erklärte die Summe, zerlegte sie in ihre Einzel-Bestandteile.
Die SZ stellte im Laufe des Monats Mai 2006 vier gravierend falsche Behauptungen auf:
  1. Am Ende meiner Tätigkeit für den Bundesnachrichtendienst sei ich „nur noch dafür eingesetzt" gewesen, „über Journalisten zu berichten".
  2. Ich hätte dem BND berichtet, woher der „Spiegel" angeblich seine Akten zur Plutonium-Affäre hatte und über welche Kontakte Kollege Hufelschulte im BND verfügte.
  3. Ich sei von 1982 bis 1998 als nachrichtendienstliche Verbindung für den BND tätig gewesen.
  4. Ich sei mit etwa 650 000 Mark entlohnt worden.
Mit ungeheurer Arroganz und ebensolchem Nichtwissen urteilte ein SZ-Kommentar („Gesetzesbrecher im Staatsdienst") bereits am 12. Mai 2006: „Um so bedauerlicher ist es, dass sich immer wieder Journalisten finden, die dem BND als Zuträger dienen. Die einzige Antwort, die es darauf geben kann, ist die schnelle Entfernung jener 'Kollegen´ aus dem Beruf, so wie das FOCUS in einem Fall löblicherweise getan hat." Im Mittelalter nannte man das Hexenjagd.
Als sich die SZ weigerte, ihre falschen Behauptungen zu berichtigen, reichte ich am 1. September 2006 gegen sie Klage ein.
Dazu eine pure Fußnote: Wie kleingeistig SZ-Redakteure agieren können, zeigt ein Artikel vom 9. Februar 2007. Ein Augsburger Lokal-Mitarbeiter unternahm an völlig falscher Stelle einen seltsamen Diffamierungs-Versuch. Ich hatte Tage vorher als unbeteiligter Zuhörer eine Augsburger Gerichtsverhandlung besucht. Am 9. Februar berichtete die SZ über den Vorgang. Völlig unvermittelt und ohne Bezug zum eigentlichen Thema kam der Satz: „Unter den Zuschauern saß auch der ehemalige Geheimagent Wilhelm Dietl, umstrittener Journalist und Buchautor, dessen Handy ausdauernd störte." Der SZ-Autor saß schräg vor mir. Er konnte nicht sehen, welches Handy klingelte. Er konnte nicht sehen, dass die Dame neben mir mehrfach angerufen wurde, und dass sie es nicht schaffte, das lästige Gerät auszuschalten. Also drückte sie darauf herum und löste möglicherweise zusätzlich einen Klingelton aus. Name, Adresse und Telefonnummer der Dame sind bekannt. Der SZ-Redakteur freute sich wie ein Kind über einen billigen Effekt. Schade für ihn, dass er konstruiert war.
Am 2. März 2007 befasste sich die 6. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg in extrem oberflächlicher Weise mit dem Streitfall. Meine Klage gegen die SZ wurde abgewiesen.
Nicht nachvollziehbar stellten die drei Richter der Kammer fest, dass es keine „rechtswidrigen Persönlichkeitsverletzungen" gegeben habe. Die Juristen schlossen die Reihen hinter dem „hohen und vom Grundgesetz geschützten Wert der Pressefreiheit". Sollte sich eine zulässige Verdachtsberichterstattung als unwahr herausstellen, bestehe Anspruch auf eine nachträgliche Richtigstellung. Ich müsse allerdings die Unrichtigkeit beweisen. Das steht diametral im Gegensatz zu meiner journalistischen Ausbildung, die unter anderem bei der „Süddeutschen Zeitung" erfolgte. Früher hatte ich als Autor den Wahrheitsgehalt meiner Artikel nachzuweisen. Wie schwierig es ist, in der Grauzone eines verleumderisch tätigen Auslandsnachrichtendienstes Gegenbeweise zu bringen, sollte jeder nachvollziehen können.
Besonders bizarr ist die Begründung des Urteils zur Frage der 650 000 Mark. Hier handle es sich nicht „um eine tatsächliche Frage", sondern „lediglich um eine Frage der Wortwahl". Die SZ habe auf meine BND-Tätigkeit im Nahen Osten hingewiesen. Also könne aus diesem Zusammenhang gar nicht der Eindruck entstehen, „dass es sich bei diesem Betrag ausschließlich um Entlohnung für Spitzeltätigkeit gegen Journalisten" gehandelt habe. Ebenso wenig sei der Schluss zulässig, hier handle es sich um „Nettovergütung ohne Auslagenersatz und ähnliches". Was denn nun? Die SZ hat bewusst falsch und ehrverletzend berichtet, und das Gericht trägt es mit.
Wir waren gezwungen, den Weg der Berufung zu gehen. Am 4. Oktober 2007 reichten meine Anwälte Berufungsbegründung und –anträge beim Oberlandesgericht Nürnberg ein.
Am 20. November 2007 befasste sich der 3. Zivilsenat des OLG Nürnberg mit dem Fall. Das janusköpfige Gremium argumentierte teilweise völlig anders als in der Minuten vorher – in gleicher Besetzung - erfolgten Berufungsverhandlung in Sachen FOCUS. Dabei ging es weitgehend identisch um den selben Sachverhalt. Der Senat vertrat beispielsweise die Auffassung, dass ganz überwiegend nicht von einer zulässigen Verdachtsberichterstattung auszugehen sei. Der Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung sei gegeben. Die Behauptung, ich sei mit 650 000 DM „entlohnt worden" sei eine schwere Persönlichkeitsverletzung.
In seinem schriftlichen Urteil vertrat der Senat dann auch die Auffassung, dass die Beiträge in der „Süddeutschen Zeitung" keine zulässige Verdachtsberichterstattung gewesen seien. Das OLG Nürnberg akzeptierte die Taktik der SZ-Anwälte, über die Forderung nach einem konkreten Beweisangebot einfach hinwegzugehen. Zitate aus dem keineswegs privilegierten „Schäfer-.Bericht" wurden nicht in Frage gestellt. Erneut klang die Forderung durch, ich hätte die Unrichtigkeit der falschen SZ-Behauptungen belegen müssen.
Mein Rechtsvertreter, Professor Dr. Gero Himmelsbach, in einer Analyse des Urteils: „Diese Auffassung ist krude und widerspricht insbesondere der Darstellung des Senats an dieser Stelle, dass der Schäfer-Bericht keine privilegierte Quelle sei. Wenn jedoch der Schäfer-Bericht keine privilegierte Quelle ist – also die Inhalte nicht als richtig unterstellt werden können -, kann es auch nicht genügen, zum Beleg der angeblichen Richtigkeit der eigenen Behauptungen lediglich aus dem Schäfer-Bericht zu zitieren, ohne eigene und darüber hinausreichende Beweise vorzulegen. Folgte man der Auffassung des Senats führte dies zu ener 'Privilegierung durch die Hintertür´: Letztlich muss dann doch der Betroffene bei ehrenrührigen Behauptungen – die hier nach Auffassung des Senats sogar vorliegen – den vollen Beweis führen. Bei ehrenrührigen Behauptungen ist es aber gerade so, dass nicht der Betroffene beweisbelastet ist, sondern derjenige, der die Behauptungen aufstellt. Dieser Beweis kann eben gerade nicht mit einer Äußerung geführt werden, die nicht privilegiert ist – deren Wahrheit auch nicht unterstellt werden kann."
Das OLG Nürnberg widerspach sich in seinem Urteil immer wieder selbst. Nach Auffassung des Senats genügt es, zu schreiben „Herr Wilhelm Dietl soll dem BND berichtet haben...." Damit seien die formalen Voraussetzungen für eine Verdachtsberichterstattung eingehalten. Dabei gilt bei einer Verdachtsberichterstattung eindeutig, dass „eine ausreichende Distanzierung zu erfolgen hat – und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich um eine Berichterstattung handelt, die auf einer privilegierten Quelle beruht oder nicht" (Himmelsbach). Im weiteren Verlauf des Urteils wurde der „Schäfer-Bericht" dann wieder zur privilegierten Quelle.
Professor Dr. Himmelsbach dazu: „Entweder stellt der Bericht eine privilegierte Quelle dar, dann sind die Inhalte als richtig zu unterstellen und die Übernahme von Inhalten ist immer zulässig – selbst dann, wenn sich später Inhalte als unrichtig herausstellen sollten. Ist eine Quelle nicht privilegiert, spricht auch keine erste Vermutung für die Richtigkeit der Inhalte. Es verbleibt dann bei den üblichen Beweisregeln: Wer angreift, muss beweisen, dass die Behauptung unrichtig ist. Ausnahme: Es handelt sich um ehrenrührige Behauptungen. Dann muss der Berichtende den Beweis führen."
Der Medienrechtler kam zu dem Schluss, „dass es sich aus unserer Sicht um ein krumm begründetes Urteil handelt, das in weiten Teilen in sich widersprüchlich und nicht nachvollziehbar ist".
Immerhin ließ der 3. Zivilsenat ein bisschen Gerechtigkeit durchblinzeln. Im Urteil heißt es: „Der Beklagten .... wird verboten zu behaupten, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen: 'Entlohnt wurde Herr Wilhelm Dietl mit etwa 650 000 Mark´ ohne darauf hinzuweisen, dass die Zahlungen ausschließlich für seine Auslandstätigkeit erfolgt sind. Der Beklagten .... wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ..... ein Ordnungsgeld bis 250 000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. Die Beklagte .... wird verpflichtet, in der nächst erreichbaren Ausgabe der Süddeutschen Zeitung unter drucktechnischer Hervorhebung der Überschrift 'Richtigstellung´ , die in der Größe der Buchstaben der Überschrift 'Intrigen, Gerüchte, Verräter´ (SZ vom 27./28.05.2006) zu setzen ist, zu veröffentlichen: 'Schließlich behaupteten wir: Entlohnt wurde Herr Wilhelm Dietl mit etwa 650 000 Mark. Hierzu stellen wir richtig: Sämtliche Zahlungen an Herrn Dietl betreffen ausschließlich seine Auslandstätigkeit. Süddeutsche Zeitung Verlag und Redaktion."
Und dazu: „Die Beklagte .... Wird verurteilt, an den Kläger eine immaterielle Geldentschädigung in Höhe von 5 000 Euro zu bezahlen."
Die Klausel mit dem Geld löste ein monatelanges, unsinniges Juristengerangel aus. Die „Richtigstellung" erschien in der SZ-Ausgabe vom 13. August 2008. Sie war – mit der Formulierungshilfe der Richter – so missverständlich abgefasst, dass der normale Leser nichts mehr verstehen konnte. Ihm wurde folgender Text serviert: „Wir haben über den Journalisten Wilhelm Dietl in der Süddeutschen Zeitung vom 27./28. Mai 2006 im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den sogenannten 'Schäfer-Bericht´ behauptet: Wilhelm Dietl sei durch den BND mit etwa 650 000 Mark belohnt worden. Hierzu stellen wir richtig: Sämtliche Zahlungen des BND an Herrn Dietl betreffen ausschließlich seine Auslandstätigkeit."
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