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Medienverfahren Norddeutscher Rundfunk: Zapp: Die Speerspitze des Rufmords

Es begann mit „verdeckten Ermittlungen". Der Norddeutsche Rundfunk meldete sich in der ersten Novemberhälfte am Telefon. Mal stellten sich die Fernsehkollegen als Magazin „Panorama" vor, mal als „Zapp". Ich kannte „Zapp" nicht, stellte aber rasch fest, dass sich dieses wöchentliche Boulevard-Programm nur mit den Medien beschäftigt. Spät abends und vorwiegend im Kreise Gleichgesinnter. Die Anrufer fragten mich, wie die deutschen Medien mit dem BND umgehen sollten, welche Erfahrungen ich mit dem Auslandsnachrichtendienst gesammelt hätte, wo denn so die Berührungspunkte zwischen beiden Welten seien. Ich antwortete zurückhaltend, lud die Rechercheure aber ein, mich zu besuchen. Ich sei bereit, vor die Kamera zu treten und mich zum vermeintlich seriösen Thema zu äußern.
Kurz vor dem 16. November 2005 trat „Funkstille" ein, und so ließ meine Aufmerksamkeit gegenüber „Zapp" nach. Jedenfalls verpasste ich die Sendung und sah sie nur als Wiederholung. „Zapp" holte zum ersten Schlag aus. Der Beitrag hieß „Große Aufregung: Geheimdienst observiert Journalisten". Eingangs erfuhr man das damals Übliche. Der BND, so hieß es, habe den BND-Kritiker Erich Schmidt-Eenboom und den FOCUS-Journalisten Josef Hufelschulte bespitzelt. Merke: Nun bekamen der selbsternannte Friedensforscher und der Illustriertenmann ihr Prädikat als mutmaßliche Opfer. Einmal verliehen, lässt sich daran kaum mehr etwas ändern.
Schon an diesem Tag begann das große Lügen. Schmidt-Eenboom wird zitiert, drei BND-Agenten hätten ihre Missetaten gebeichtet und sogar eidesstattliche Erklärungen unterzeichnet. Absurd. Erst viel später wurde bekannt, dass nur einer ausgepackt hatte, und das bereits zwei Jahre vorher. Zwei Jahre war diese Geschichte im Bankschließfach gelegen. Nun brauchte man sie, um einen politischen Sturm im Wasserglas zu entfesseln.
Zum Höhepunkt des Beitrags kam Zapp mit seinem Exklusiv-Scoop. Der Ex-FOCUS-Mitarbeiter Wilhelm Dietl, so wurde suggeriert, habe für den BND den SPIEGEL ausspioniert. Bei FOCUS, da sei er nun nicht mehr. Sein ehemaliger Chef Helmut Markwort habe ihn „fristlos entlassen". Dietl habe „allzu enge Kontakte zu Geheimdiensten gepflegt". Eine Steilvorlage für den Enthüller Hans Leyendecker, der den SPIEGEL selbst in Unehren verlassen hatte. Er fing nun an, über „das Ausforschen von Medien über Medienvertreter" zu philosophieren. Die Saat war gesät.
Ein Wunder der perfekten Choreographie: Exakt eine Woche später fand beim Landgericht München I die Hauptverhandlung Dietl ./. FOCUS statt, das Kündigungsverfahren. Schon im Flur traf ich auf ein Kamerateam von „Zapp", das mich über die Gänge jagte. Der Reporter stellte unisono dieselbe Frage: „Haben Sie 600 000 Mark vom BND bekommen?" Wie sollte man das beantworten, wenn damals wie heute keiner die wahren Zusammenhänge hören will? Ein namhafter deutscher Tageszeitungs-Journalist empfand den „Zapp"-Überfall so: „So hat man bisher nur NS-Verbrecher auf dem Flur verfolgt. Ein moralischer Amoklauf der sumpfigen Branche."
Am Abend des 23. November 2005 berichtete „Zapp" erneut über meine BND-Tätigkeit. Die Richtung wurde immer deutlicher. Ich sollte zum Unhold aufgebaut werden, der seine eigenen Kollegen bespitzelt hatte. Zitat Markwort: „Diesen Menschen bezeichne ich nicht mehr als Kollegen und erst recht nicht als Journalisten. Wir haben inzwischen erfahren, dass er jahrelang für diesen oder jenen Geheimdienst gearbeitet hat, professionell gegen Geld. Hat jede Menge Verräterei begangen." Starker Tobak zur Unzeit. Und staatsfeindlich, wie einst die RAF.
„Zapp" meldete sich erst am 17. Mai 2006 wieder zu Wort, als bereits erste illegale Auszüge eines unfertigen Untersuchungsberichts des Bundestags-Sonderermittlers Gerhard Schäfer kursierten. Der Aufhänger lautete so: „Der BND hat in weitaus größerem Umfang Journalisten bespitzelt, als bisher bekannt war.... Als Informanten hat der BND Journalisten angeworben und auf die eigenen Kollegen angesetzt." Feuer frei.
Zitat „Zapp": „Und auch er bespitzelte Kollegen: Wilhelm Dietl", lieferte „Berichte voller intimer Details an den BND". Sie nannte mich einen „Journalisten-Spitzel", der „Informationen über die eigenen Kollegen" lieferte. Dieser üble Rufmord wurde an einem Beispiel durchdekliniert, das mir nie in den Sinn gekommen wäre. „Zapp" behauptete, ich hätte den ehemaligen „Stern"-Kollegen Karl Günther Barth, mit dem ich 1988 eine Serie über die deutschen Geiseln im Libanon geschrieben hatte, im Auftrag des BND bespitzelt. Bizarr, welche Bilder der phantasievolle Barth selbst kreierte: „Der Mensch war vier Wochen in Ihrer Wohnung, das ist so, wie wenn bei Ihnen eingebrochen wird, und Sie kommen nach Hause und die Schublade mit der Unterwäsche ist aufgerissen und dann haben Sie ein komisches Gefühl." Wer zu lange für seichte Boulevardblätter arbeitet, nimmt ersichtlich Schaden. Bis heute ist nicht ersichtlich, woher Barth seine Vorwürfe nimmt.
„Zapp" einen Satz später: „Dietl bekam für solche und andere Spitzeldienste viel Geld – 600 000 Mark." Für welche Dienste? Dass ich die Unterwäsche des Kollegen Barth durchwühlt habe? Klappe in Sachen Barth, Auftritt Hufelschulte. Und wieder O-Ton Helmut Markwort aus dem Tal der Ahnungslosen: „Da war einer dabei (bei den Spitzeln), der hat bei ihm zu Hause übernachtet, wenn er in München war, hat mit seinen Kindern gespielt und hat dann Hunderte von Meldungen geschrieben an den BND. Der eine hat mehr als 600 000 Mark bekommen, das geht seit 20 Jahren." Herr Markwort, ich habe nicht bei Hufelschulte übernachtet, noch weniger mit seinen Kindern gespielt (er hat nur einen Sohn) und schon gar keine Berichte über ihn geschrieben. Von den 600 000 Mark waren 400 000 Mark Auslagen. Die restlichen 200 000 Mark flossen für eine ehrenvolle Tätigkeit im Dienst des Staates – und das lange vor der Gründung von FOCUS. Rufmord ist die Verbindung von Halbwahrheit und reinen, bewussten Lügen. Markworts Tirade endet damit, dass er mich „charakterschwach" nennt und nochmals betont, ich sei für ihn kein Journalist oder Kollege mehr. Als ob Journalist heutzutage eine Ehrenbezeichnung wäre. Kollege eines Helmut Markwort, das wollte ich nie sein.
Keine „Zapp"-Sendung ohne den Gutmenschen Hans Leyendecker, der mit Heiligenschein kommentiert: „Er (Wilhelm Dietl) ist einer dieser Journalisten, der für Geld Kollegen bespitzelte." So sieht sie aus, die Rache des kleinen Mannes. Hans Leyendecker war beim SPIEGEL in Ungnade gefallen, nachdem er seinen Chefredakteur Stefan Aust in arge Verlegenheit gebracht hatte, als dieser mich einstellen wollte. Leyendecker vertrug keine Konkurrenz neben sich. Als Platzhirsch fiel es ihm auch leichter, die Nation zu belügen. Beispiel: die SPIEGEL-Titelgeschichte „Der Todesschuß". Kernaussage: Der Terrorist Wolfgang Grams wurde von der GSG 9 in Bad Kleinen hingerichtet. Hans Leyendecker berief sich auf einen anonymen Beamten, der – wie sich herausstellte – den Schusswechsel auf dem Bahnsteig gar nicht gesehen haben konnte. Eine Leyendeckersche Falschmeldung verunglimpfte auf Jahre hinaus das Bundeskriminalamt, die GSG 9 und den Rechtsstaat an sich. Zuerst schürte Leyendecker die Bad-Kleinen-Hysterie, um dann kleinlaut einzugestehen, dass sein „Zeuge" und dessen Schilderungen nicht als authentisch betrachtet werden dürften. Leyendecker wurde für diese Hass-Kampagne nie zur Rechenschaft gezogen. Die Narrenfreiheit des Top-Enthüllers.
An jenem denkwürdigen 17. Mai 2006 verabschiedete sich „Zapp" von mir, indem es mich als „Täter" bezeichnete. Logischerweise war auch von meinen „Opfern" die Rede. Die Berichterstattung über Nazischergen klingt nicht anders.
„Zapp" legte immer eins drauf. Am 24. Mai 2006 hieß die Überschrift „Eitelkeit und Geldgier: Journalisten bespitzeln Journalisten." Der Schäfer-Bericht war noch immer nicht freigegeben. Nun verbreitete „Zapp" die absolute Lüge, ich sei von FOCUS „schon vor Jahren rausgeschmissen" worden, weil ich „für den BND tätig" gewesen sei. Die psychologische Kriegsführung ging weiter, als „Zapp" Erich Schmidt-Eenboom sagen ließ: „Die Gefahr war mir immer bewusst, ich habe ja diese schmutzigen Angebote bekommen, genau in die Dietl-Rolle zu schlüpfen." Das sagte einer, der sich unter den Decknamen „März" und „Gladiator" selbst in Geschäfte mit dem BND verstrickt und Geld genommen hat. An anderer Stelle forderte er seinerzeit ein Berufsverbot für mich. Wie weit muss sich Schmidt-Eenboom aus der Lebensrealität entfernt haben, wenn er mit wichtiger Miene „Haltet den Dieb" ruft und selbst den Sack mit Beutegut auf dem Rücken trägt. Und noch einmal darf der Rheinländer Leyendecker in die Bütt. „Journalistisches Lumpenpack" ruft er allen anderen zu. Allen anderen.
„Zapp" ist nicht totzukriegen. Endlich darf der Schäfer-Bericht offiziell gelesen werden. Die nächste Sendung folgt am 31. Mai 2006. Und wieder Lügen. Wilhelm Dietl (und zwei weitere Kollegen) „haben viele Passagen über ihre BND-Arbeit streichen lassen". Wie immer ist „Zapp" mit einer Überhöhung der Tatsachen nicht zufrieden. Es muss möglichst skandalös klingende, freie Erfindung sein. Rufmord und gezielte Diffamierung als Fortführung der Fernseh-Berichterstattung mit „Zapp"-spezifischen Mitteln.
Nachdem ich eine Weile geglaubt hatte, die „Zapp"-Redaktion würde lesen können und geduldig vorgetragene Zusammenhänge verstehen, verfasste ich zwei Briefe. Ich schickte sie an den „Zapp"-Redaktionsleiter Kuno Haberbusch, an den NDR-Indendanten Jobst Plog, an den Vorsitzenden des NDR-Rundfunkrats, Volker Müller, und an die Vorsitzende des NDR-Verwaltungsrats, Rosemarie Wilcken. Von ihnen kam keine ernsthafte Resonanz, keine Entschuldigung, nichts.
Stattdessen rührte „Zapp" am 6. Dezember 2006 noch einmal seine bewährte Mischung aus Teil-Wahrheit und Lüge, Suggestion und Hörensagen an. Wieder behauptete „Zapp", ich hätte „vor Gericht durchgesetzt", dass meine Aktivitäten durch den Schäfer-Bericht „nicht öffentlich werden". Weit gefehlt.
Das Maß war voll. Mein Rechtsvertreter forderte von „Zapp" Gegendarstellung, Unterlassung und Widerruf. Der NDR verschanzte sich hinter Regularien und Formalitäten, spielte auf Zeit („Sofern Sie uns darlegen und beweisen, dass die von Zapp behaupteten Tatsachen nachweislich unwahr sind und einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte Ihres Mandanten darstellen, ist der NDR bereit, eine entsprechende Richtigstellung vorzunehmen.") Irgendwann wurde dieses Geplänkel infantil. Also beantragten wir in der Weihnachtswoche 2006 eine einstweilige Verfügung gegen den NDR. Die Gegenseite antwortete mit einer sogenannten „Schutzschrift", und mit einer farblosen Unterlassungserklärung. Im Januar 2007 wies der NDR unser zweites Gegendarstellungsersuchen erneut aus formalen Gründen zurück. Wir beantragten wieder den Erlass einer einstweiligen Verfügung, und mussten dies zurücknehmen.
Am Ende blieb uns als einzige Option, um so etwas wie Recht zu bekommen, die Klage gegen den NDR. Der Anwalt reichte sie am 20. Februar 2007 beim Landgericht München I ein. Nun balgten sich die Juristen erst recht, ließen die jeweiligen Fristen wegen kränklicher und urlaubender Kollegen mehrfach verlängern. Mitte Mai nahmen die Anwälte des NDR endlich Stellung. Wir antworteten darauf Mitte Juni. Wiederum vier Wochen später forderte das Gericht von uns einen Mitschnitt der „Zapp"-Sendungen und von der Gegenseite eine Kopie des veröffentlichten Schäfer-Berichts. Dabei hätte sie ihn sofort aus dem Internet herunterladen können. Am 10. August beklagte sich der Anwalt der Gegenseite, dass er den mittlerweile überall vorliegenden Schäfer-Bericht „wegen verschiedener Urlaubsabwesenheiten" von seiner Mandantschaft noch nicht erhalten habe. Und wieder wurde eine Frist verlängert.
Neue Schriftsätze, ein neuer Anwalt auf meiner Seite, weitere Verlegung des Termins für die Hauptverhandlung, von Dezember 2007 auf Februar 2008 auf März 2008. Zwei Tage vor der Sitzung brach Hektik aus. Der Vorsitzende Richter meldete sich bei den Parteien und regte einen Vergleich an. Beide Seiten, müde von der langen Dauer der Auseinandersetzung, zeigten sich kooperativ. Die Schmerzgrenze des NDR war jedoch bei der Frage erreicht, dass „Zapp" eine Berichtigung verlesen müsse. Das, so die Hamburger, würde das Verfahren erneut verlängern.
Schließlich doch ein Vergleich. Der NDR verpflichtete sich, nicht mehr zu behaupten,
a) Wilhelm Dietl habe jahrelang für „diesen oder jenen Geheimdienst gearbeitet", professionell gegen Geld, dabei habe er „im Auftrag des BND Journalistenkollegen bespitzelt und darüber Berichte voller intimer Details an den BND geliefert. Wilhelm Dietl habe für solche und andere Spitzeldienste viel Geld bekommen, 600 000 DM.
ohne darauf hinzuweisen, dass Wilhelm Dietl vom BND Auslagenerstattungen und Entgelte in Höhe von ca. 650 000,- DM für seine von 1992 bis 1992 im Ausland für den BND erbrachten nachrichtendienstlichen Tätigkeiten erhalten hatte.
b) Wilhelm Dietl habe viele Spitzelberichte an den BND geliefert, nicht nur über den ehemaligen „Stern"-Kollegen Barth, sondern auch über den FOCUS-Reporter Hufelschulte.
ohne darauf hinzuweisen, dass Herr Dietl viele Berichte (insgesamt 856 schriftliche Berichte) für den BND über seine für den Bundesnachrichtendienst geleistete nachrichtendienstliche Auslandstätigkeit erstellt hatte.
c) Wilhelm Dietl habe veranlasst, dass in dem öffentlichen Bericht des Sonderermittlers Schäfer vom 26.5.2006 ihn treffende Ausführungen unkenntlich gemacht werden
ohne darauf hinzuweisen, Josef Hufelschulte die Unkenntlichmachung ihn betreffender Berichtsausführungen erwirkt hat."
Außer Spesen, wenig gewesen.
Klageschrift NDR
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